Text: Constanze Bauer
Lesezeit: 4 Minuten
Text: Constanze Bauer
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Ein Vogel, der sich auf dem Baum vor unserem Fenster die Seele aus dem Leibe singt, sollte uns in Zeiten des Artensterbens mehr wert sein als das neuste Smartphone. Dabei können die meisten Menschen inzwischen kaum noch einen Vogel erkennen. Einer, der das mit Hilfe von Smartphones ändern will, ist der Vogelphilipp: Wir waren mit ihm auf Exkursion im Landshuter Hofgarten.
Er trägt Barfußschuhe und blickt mit einem herzlichen Lächeln unter seinen wilden, braunen Locken hervor. Philipp Herrmann ist sein richtiger Name, doch bekannt ist der 41 Jahre alte Ornithologe unter dem Spitznamen Vogelphilipp. Der ist Programm, denn Vögel sind Herrmanns größte Leidenschaft; und so passt auch sein graues Shirt, auf dem ein großer Vogel zu sehen ist, perfekt ins Bild. Während wir unter den Bäumen nahe der Burg Trausnitz herumstehen und uns überlegen, ob wir eigentlich einen Spatz erkennen würden, hat er schon einige seiner gefiederten Gefährten in den Baumkronen wahrgenommen: „Amsel, Blaumeise, Buchfink“, erklärt Herrmann, „ganz charakteristisch.“
Bekannt wurde der Vogelkundler, der für den LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern e.V.) arbeitet, mit seiner Vogelstimmenhotline. Per Whatsapp konnten ihm Unkundige eine Sprachnachricht mit der Aufnahme einer Vogelstimme schicken und bekamen dann eine Erklärung, um welchen Vogel es sich handelt. Diese Aktion ging im vergangenen Jahr zu Ende und Herrmann meint, dass er in den sieben Jahren, in denen er diese Hotline betrieb, mehr als 7000 Nachrichten erhalten habe. Bei gutem Wetter oder an Feiertagen, wenn viele Menschen in der Natur unterwegs sind, waren es bis zu 200 Nachrichten am Tag. „Das war eine anstrengende Zeit“, sagt Herrmann, denn anfangs nahm er sich noch pro Nachricht um die fünf Minuten Zeit, um wirklich alle Vögel zu identifizieren, die in einer Aufnahme zu hören waren. Das geht bei so vielen Anfragen natürlich nicht mehr und so schrieb er später nur noch, welcher Vogel am lautesten zu hören war.
Die Idee zu dieser besonderen Aktion hatte der junge Ornithologe, als ihm klar wurde, dass sich die Leute durchaus für Vögel interessieren, jedoch oft nicht früh aufstehen wollen, um an einer Vogelführung teilzunehmen. Diese beginnen oft schon um fünf Uhr morgens, da die meisten Vögel eben am frühen Morgen singen. Die Idee mit den Whatsapp-Nachrichten aber funktionierte auch am Nachmittag oder am Abend. Herrmann schrieb dann sogar seine Masterarbeit über die Vogelstimmenhotline.
Während wir von der Burg Trausnitz einen Weg in Richtung Altstadt hinuntergehen, beginnt es stark zu regnen. Doch im Schutz der Bäume lässt sich der Vogelphilipp davon nicht beirren und erzählt begeistert weiter. Allein in Deutschland brüten ungefähr 250 Vogelarten, von denen er fast alle am Gesang erkennen kann. Herrmann erzählt uns, dass Vögel ständig untereinander kommunizieren. Männchen betrieben dabei vor allem Reviergesang und Weibchen riefen ihre Jungtiere. Besonders wichtig seinen auch Warnrufe. Vögel könnten am Ruf des warnenden Artgenossen sogar unterscheiden, ob ein Land- oder ein Luftfeind lauert. Und besonders beeindruckend dabei ist, finden wir, dass diese Kommunikation auch zwischen den verschiedenen Arten funktioniert.
So schimpfen Amseln, um ihre Jungen vor Katzen zu schützen – und die Fressfeinde auf vier Pfoten nehmen die Drohung durchaus ernst und suchen oft einmal beeindruckt das Weite.
Doch was ist der Lieblingsvogel des Experten? Nach einiger Bedenkzeit antwortet Herrmann, dass der Pirol mit seinem knallgelben und schwarzen Gefieder ihn am meisten fasziniere. Er hält sich meistens in den Baumkronen auf und ist nur selten zu sehen - auch an der Stimme kann man ihn erkennen. „Die klingt ungefähr so“- und dann pfeift Herrmann uns ganz verliebt eine Melodie vor. Wir sind beeindruckt und wollen eine Zugabe – und ja, der Experte könnte einen ganzen Konzertabend bestreiten.
Am schönsten flötet seiner Meinung nach die Singdrossel. „Sie ist auch leicht zu identifizieren, weil sie Lieder mit verschiedenen Strophen singt, die sich immer wieder wiederholen“, erklärt Herrmann.
Vögel sind also wahre Musiker und so hätten sich, erzählt der Vogelphilipp, schon viele Komponisten an ihrem Gesang inspiriert. Beethovens berühmte Schicksalssymphonie ähnelt in manchen Passagen zum Beispiel sehr dem Gesang der Goldammer. Herrmann pfeift sie uns vor, und prompt antworten Vögel aus den Baumkronen herab – so als ob der Vogelphilipp einer von ihnen sei. Daheim, in seiner Nachbarschaft, könne er die einzelnen Amselmännchen an ihrer Stimme unterscheiden, erzählt der Experte.
Warum ihn ausgerechnet Vögel so faszinieren? „Die Vogelkunde ist einfach unendlich spannend, da es immer etwas Neues zu entdecken und zu lernen gibt.“ Als er zehn Jahre alt war, bekam der kleine Philipp ein Vogelbuch, ein Fernglas und eine CD mit Vogelstimmen geschenkt. Er hörte sie rauf und runter und kannte schon bald viele Vögel Mitteleuropas und deren Gesänge auswendig. Ein anderes Hobby aus der Jugend des Vogelphilipp war Skateboard fahren, und aus dieser Zeit stammt auch sein Spitzname. Herrmann erzählt uns, dass es in seiner Freundesgruppe zwei Skater mit dem Namen Philipp gab und aufgrund seiner Leidenschaft für Vögel wurde er kurzerhand Vogelphilipp genannt. Nach der Schule wollte er dann eigentlich Fotografie studieren, entschied sich jedoch zunächst für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr bei einer Hamburger Vogelstation. Danach studierte er Naturschutz und Landschaftsplanung und lernte dort zum ersten Mal andere Gleichaltrige kennen, die sich auch für Vögel interessieren. „Und da war ich plötzlich nicht mehr nur der Nerd“, sagt Herrmann und lacht.
Wenn es nach ihm geht, müssten sich sowieso viel mehr Jugendliche für Vögel interessieren, Stichpunkt: Artensterben. Deshalb stellt er auf seiner Homepage Vögel vor, leitet Vogelstimmenwanderungen und organisiert Workshops für junge Leute. „Die Menschen schützen nur, was sie auch kennen“, meint der Vogelphilipp. Und wer möchte schon in einer Welt ohne Vögel leben?
Dieser Text von Constanze Bauer erschien in „Camerjäger“, die mehrfach in verschiedenen Schülerzeitungswettbewerben ("Blattmacher", Schülerzeitungswettbewerb der Länder, "Raute" der Hanns-Seidel-Stiftung) ausgezeichnete Schülerzeitung des musischen Camerloher-Gymnasiums Freising ist.
Mit freundlicher Genehmigung durch Veronika Eckl, Betreuungslehrerin der Schülerzeitung am Camerloher-Gymnasium Freising
Philipp Herrmann ist Teamleiter im Referat Artenschutz des LBV und genauso engagiert bei den Themen Artenkenntnis und -schutz, wie auch bei der Unterstützung der Nachwuchsarbeit in dem Bereich.
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