Text: Christian Grüner
Lesezeit: 3 Minuten

Sexuelle Identitäten als Ausdruck von Vielfalt in sozialen Medien

Text: Christian Grüner
Lesezeit: 3 Minuten

Sexuelle Identitäten als Ausdruck von Vielfalt in sozialen Medien

Ich öffne Tik-Tok und auf meiner For-You-Page (meine persönliche Startseite) erscheint in regelmäßigen Abständen ein neuer Sound, der sich auf der Plattform zum Meme entwickelt hat. Es handelt sich dabei um einen Interview-Ausschnitt, in dem sich jemand über etwas beschwert, da er doch „der maskuline Mann“ ist (also ein „richtiger Kerl“). In den Kommentaren unter dem Clip folgt daraufhin Kritik, da er nach diesem Satzteil mit Tränen in den Augen zu sehen ist - eine Sache, die wohl nicht zum Wort und der Vorstellung von „maskulin“ zu passen scheint. Sobald wir auf sozialen Medien unterwegs sind, stoßen wir auf das Thema Sexualität - ob wir wollen oder nicht.

Dabei sind jetzt aber nicht explizite Darstellungen und (alters-)unangemessene Inhalte gemeint, sondern Dinge wie Rollenvorstellungen oder (Geschlechts-)Identitäten. Erwartungen, die verschiedene Geschlechter erfüllen sollen - ob nun traditionell oder aufgeklärt. Der Spruch ‚wer suchet, der findet‘ passt sehr gut zu diesem Themenfeld, vor allem im digitalen Raum. Auf der anderen Seite stößt man aber im Mainstream und in Videos mit hohen Reichweiten und Klickzahlen häufig auf sehr ähnliche Darstellungen und Vorstellungen von männlich und weiblich (selten divers). Finden wir im Internet tatsächlich mehr sexuelle Vielfalt und Diversität oder ist dem gar nicht so? Haben wir eine falsche Vorstellung davon und zu hohe Erwartungen?

Sexualität ist unheimlich vielfältig, begleitet uns unser Leben lang und ist einer der wichtigsten Punkte unseres Menschseins. Spätestens von Geburt an bis zu unserem Lebensende sind wir in allen Abschnitten unseres Lebens mit diesem Thema beschäftigt und setzen uns damit jeden Tag auseinander, häufig auch ohne uns darüber klar zu sein und es mitzubekommen. Die Art, wie wir uns präsentieren, stylen, verhalten und darstellen, hat ganz stark damit zu tun, welche Vorstellung wir davon haben, wie wir wirken sollten - was von uns erwartet wird, wenn man Frau, Mann oder Divers ist. Und natürlich auch welchem Geschlecht wir uns zuordnen. Wir wollen unbedingt eine Rückmeldung unseres Umfelds darauf und passen an diese Rückmeldung an, wie wir unsere Außenwirkung und Darstellung verändern sollten. Damit wir uns gut fühlen, aber auch damit andere zufrieden sind.

Zu Sexualität gehören natürlich auch viele andere Themen. Zum Beispiel ein großer Teil unserer Gefühle, bestimmte Dinge, die wir mit anderen Menschen machen wie Flirts und natürlich auch körperliche Nähe, Berührungen und Sex. Ich meine hier aber ganz besonders die sexuelle Identität des Menschen, für die der digitale Raum ganz hervorragend geeignet ist, um sich auszuprobieren. Nach dem Triple-A-Enginge-Modell von Cooper zeichnet sich das Internet durch drei besondere Punkte aus: Anonymität, Bezahlbarkeit und ein leichter Zugang. Darum ist das Internet besonders interessant und reizvoll für eine Vielzahl von Aktivitäten und Vorhaben.

Besonders das Gefühl anonym und unerkannt schreiben, lesen und sich austauschen zu können (obwohl das oft gar nicht so anonym ist), lässt das Sicherheitsgefühl der Nutzenden steigen. Deshalb wird oft die Hemmschwelle gesenkt und man macht sich weniger Sorgen und Gedanken über mögliche Folgen. Menschen, die verbotene Dinge tun möchten, fühlen sich dadurch schnell sicher (obwohl sie es eben oft nicht sind) und machen deshalb oft schneller Unerlaubtes und Schädigendes, was ein Problem ist.

Das Gefühl von Sicherheit kann aber auch etwas Gutes sein und zwar, indem es Menschen hilft, sich eher über persönliche Dinge auszutauschen und Fragen zu stellen, die sie in ihrem Freundeskreis oder ihrer Familie nicht stellen würden. Sie können sich ausprobieren und informieren, ohne erkannt zu werden und ohne dafür verurteilt zu werden. Sie können sich leichter mit anderen Menschen austauschen, ohne dabei unbedingt Namen und persönliche Daten mitteilen zu müssen. Immer häufiger beginnen romantische Beziehungen erst digital im Netz und werden dann „in der realen Welt“ fortgesetzt.

Natürlich gibt es im Internet auch viele Menschen, die sich problematisch verhalten, Verbotenes tun, anderen schaden möchten und leider Vorurteile und tradierte (Rollen-)Vorstellungen haben. Aber das Gefühl, unerkannt zu bleiben und für seine Gefühle, Neugier und Meinungen nicht verurteilt, beleidigt oder ausgeschlossen zu werden, kann auch schnell dazu führen, dass Menschen eben diese Emotionen und Ansichten offen zeigen und für ihre Sichtweisen einstehen können.

Queerness und Vielfalt sind sichtbar, Communitys müssen nicht lange gesucht werden und die Pride-Flagge befindet sich in der Emoji-Bibliothek von WhatsApp. So bleiben am Ende zwei Punkte festzuhalten: Zum einen sind digitale Räume unter anderem durch eine enorme Vielfalt gekennzeichnet. Das bezieht sich auf verschiedenste Themen, unterschiedlichste Menschen und eben auch eine Fülle von Sichtweisen und Informationen bezüglich Sexualität. Zum anderen wird es Menschen ermöglicht, sich auszuleben, zu erkunden und sich zu orientieren. Und das eben auch auf die eigene Sexualität bezogen: Ein großes Erkundungsfeld, das Jugendlichen aber auch Erwachsenen viele Infos zum Thema Identität und Rolle liefern kann und dazu einlädt, sich auszuprobieren und zu erkunden, was sich für einen selbst richtig anfühlt. Wichtig ist und bleibt dabei aber, rücksichtsvoll miteinander umzugehen und sich respektvoll zu begegnen.

Gerne könnt ihr mir eure Rückmeldungen, Anmerkungen oder Verbesserungen (natürlich fast ganz anonym) senden:

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