Text: Aktay Conradty
Lesezeit: 3 Minuten
Achtung, kein Aprilscherz. Seit dem 1. April 2024 ist in Bayern die Verwendung von geschlechtersensibler Gendersprache in Behörden und Schulen verboten. Geschlechtersensible Schreibweisen wie Genderstern, Gender-Gap, Doppelpunkt oder Mediopunkt sind nun als „unzulässig“ eingestuft. Dieses Verbot gilt für bayerische Schulen, Hochschulen und Behörden. Frauen sollen sich „mitgemeint fühlen“.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kritisiert diese Entscheidung scharf und bezeichnet sie als verfassungsrechtlich problematisch (1). In ihrer Mitteilung heißt es: „Menschen zu verbieten, inklusive Sprache zu verwenden, ist ein Rückschritt ins letzte Jahrhundert“, da es ein „Kulturkampf auf dem Rücken von Minderheiten“ sei. Ein Experiment der Julius-Maximilians-Universität (2) belegt, dass das generische Maskulinum, also die männliche Sprachform, automatisch zu einem „male bias“, einer unbewussten Bevorzugung von Männern, führt.
Markus Söder stellt Bayern als Land der „Freiheit und Stabilität“ dar, während er Verbote einführt, die massiv in die Freiheiten der Bevölkerung eingreifen. Die Antidiskriminierungsstelle betont: „Der Staat sollte Respekt und Toleranz fördern, nicht verbieten.“ Außerdem verletzt das Verbot auf vier Weisen die Verfassung:
1. Die Verpflichtung staatlicher Einrichtungen (Schulen, Hochschulen oder Behörden) nicht zu gendern, verletzt die Persönlichkeitsrechte von Frauen, inter- und nichtbinären Menschen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG).
2. Genderverbote an Hochschulen gelten als Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG).
3. An Schulen werden die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der Lehrkräfte und Schülerinnen durch das Verbot beschränkt.
4. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird in die Rundfunkfreiheit eingegriffen (Art. 5 Abs. 1 GG).
Die verfassungsrechtliche Problematik des Genderverbots zeigt, wie tief Sprache mit gesellschaftlicher Gerechtigkeit verbunden ist. Dass diese Gerechtigkeit wiederum essenziell für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele und insbesondere für den Bodenschutz ist, wird am Beispiel von Frauen als Hüterinnen des Bodens deutlich.
Die nachhaltige Nutzung und der Schutz des Bodens sind eng mit sozialer Gerechtigkeit verbunden. In Ländern, in denen Frauen Zugang zu Bildung, Landbesitz und Mitspracherechten haben, steigen die landwirtschaftlichen Erträge und die Bodenqualität deutlich. 2015 produzierten Frauen in Entwicklungsländern etwa 80 % der Nahrungsmittel, besaßen jedoch gerade mal 15 % der landwirtschaftlichen Flächen (4). Die Erträge auf den Feldern könnten sogar um 20 bis 30 % gesteigert werden könnten, wenn Frauen die gleichen Ressourcen wie Männer hätten (5). Solange Frauen nicht gerecht behandelt werden, bleiben Frieden und Nahrungssicherheit unerreichbar.
Daher ist Gender-Gerechtigkeit keine Nettigkeit gegenüber Frauen, sondern für eine nachhaltige Zukunft entscheidend. Gendersensible Sprache in Schulen ist ein erster Schritt, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Frauen und ihre Arbeit sichtbar gemacht werden müssen – denn nur wer sichtbar ist, kann auch Einfluss nehmen. Wenn wir Begriffe wie „der Arzt“ hören, denken viele sofort an einen Mann. Deshalb ist es wichtig, Sprache anzupassen, damit Frauen nicht nur „mitgemeint“ sind, sondern wirklich vorkommen. Wenn SchülerInnen bereits in der Schule lernen, Frauen und Männer gleichberechtigt anzusprechen, bereitet dies den Boden – im wörtlichen und übertragenen Sinn – für eine gerechtere und nachhaltigere Welt.
Die Entscheidung, die Gendersprache zu verbieten, wurde von der Staatskanzlei mit dem Ziel begründet, klare und verständliche Sprache zu fördern und Diskursräume in einer liberalen Gesellschaft offenzuhalten. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass kommunale Behörden an diese Vorgaben nicht zwingend gebunden sind. Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler müssen sich jedoch im gesamten dienstlichen Schriftverkehr an das Verbot halten (also auch in der Schülerinnenzeitung. (Obacht! Das ist erlaubt. Da ist kein Gendersternchen, Herr Söder. Männer müssen sich einfach mitgemeint fühlen). In Schulaufgaben könnten Schüler noch Gendern; wird zwar markiert, darf jedoch keinen Punkt abziehen.
Auch soll das Verbot „Diskussionsräume offenhalten". Jonas Wengert beschreibt, dass dies möglich wäre, würde eine Lehrerin gendert, ein anderer aber nicht (3). So können wir Jugendliche uns eine eigene Meinung bilden. Allerdings erlaubt das Verbot genau dieses offene Umfeld nicht.
Das Verbot der geschlechtersensiblen Gendersprache in Bayern wirft viele verfassungsrechtliche Fragen auf und schränkt zahlreiche Freiheiten ein. Ironischerweise wurde das Gesetz ursprünglich als Reaktion auf einen angeblichen „Genderzwang“ eingeführt, den es jedoch nie gab. Wer gendern wollte, konnte dies tun, und wer nicht wollte, musste es nicht. Jetzt gibt es jedoch tatsächlich einen Zwang: das neue Genderverbot. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Verbot Bestand haben wird. Wichtig ist, dass trotz dieses Verbots weiterhin Wege gefunden werden, um geschlechtergerechte Kommunikation zu fördern. Bis 2030 sollten alle 17 Nachhaltigkeitsziele erfüllt sein. Es gibt so schon genügend Ziele, die wir weit verfehlen werden. Bei einem Punkt waren wir aber schon auf einem guten Weg: Gendergerechtigkeit. Einen Erfolg, den wir nicht gefährden sollte.
(1) Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Rechtliche Einschätzung von „Genderverboten“ Online: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/aktuelles/DE/2024/20240513_gutachten_genderverbote.html
(2 )Rothermund, P., & Strack, F. (2024). Reminding may not be enough: Overcoming the male dominance of the generic masculine. Journal of Language and Social Psychology. https://doi.org/10.1177/0261927X241237739 Notiz unter Mitgemeint gleich mitgedacht? Neue Studien zum generischen Maskulinum - Universität Würzburg Online 16.12.2024
(3) BR24. Pro und Contra: Was bringt das bayerische Genderverbot? . Online: https://www.br.de/nachrichten/bayern/pro-und-contra-was-bringt-das-bayerische-genderverbot)
(4) Welthungerhilfe: Factsheet. https://www.welthungerhilfe.de/fileadmin/pictures/publications/de/fact_sheets/topics/Factsheet_Frauen_2015_Welthungerhilfe.pdf Online 16.12.2024
(4) Christa Randzio-Plath (2012). Ein Stück Erde für jede Frau – innovative Wege zur Armutsbekämpfung und Entwicklung im ländlichen Raum. In: Deutscher Ethikrat. Die Ernährung der Weltbevölkerung – eine ethische Herausforderung. ISBN 978-3-941957-39-8 https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Dokumentationen/tagungsdokumentation-die-ernaehrung-der-weltbevoelkerung.pdf
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