Text & Bild: Hariet Roth
Lesezeit: 5 Minuten

Als die Käfer den Wald verließen...

An einem ruhigen Frühlingsmorgen ist Willi gerade dabei, nach Ästen für sein Rabennest zu suchen. Auf einmal hört er aus der Ferne Gemurmel.

Neugierig, was das wohl sein kann, geht er in die Richtung, aus der die Geräusche kommen.

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Aus dem Gemurmel wird nach einiger Zeit ein Gesumme und Gebrumme. Als Willi am Waldrand ankommt, sieht er, wie eine große bunte Wolke aus dem Nationalpark hinausfliegt…

Was das ist, kann er leider nicht erkennen, als er näher kommt, ist die Wolke schon weit in die Ferne gezogen…

Grübelnd kehrt er zurück in den Wald. Es ist ruhig geworden, aber sonst passiert erstmal nichts.

Ein paar Wochen später wird es aber seltsam im Nationalpark. Die Tiere haben alle schlechte Laune und: es stinkt fürchterlich!

Basti Buntspecht hat einen verletzten Schnabel, Hilda Hufeisennase knurrt der Magen und auch Frieda Feldhase findet kein Futter für ihre Jungen. Die Rehkitze und die Biberkinder motzen lautstark herum:

„Laaangweilig!“ rufen Bille und Bolle Biber um die Wette.
„Ihgitt, hör auf damit!“ beschwert sich Rosi Rehkitz – während ihr Bruder Ralf mit einem Grashalm in der Nase bohrt. „Ich hab ja sonst nix zu tun“ versucht er sich zu rechtfertigen.

Willis Frau Ria kann es nicht mehr hören.

Basti Buntspecht und seine Freunde sprechen mit Willis Rabenfrau Ria

„Könnt ihr bitte mal aufhören, dauernd so laut zu streiten und zu motzen? Unsere Küken müssen Mittagsschlaf machen!“ fordert sie die Vierbeiner auf. „Und überhaupt, was soll denn das, sonst habt ihr doch auch immer richtig schön gespielt?“

Kaum hat sie das gesagt, kommt mit einem leichten Windzug wieder eine Portion Gestank angeweht.

„Bäh, das ist ja nicht auszuhalten!“ sagt Benno Biber, der gerade auf die Lichtung kommt, um seine Kinder wieder in die Biberburg zu holen.

„Halt“ sagt Ria, „ich möchte erst noch eine Antwort auf meine Frage!“

Rosi antwortet ihr: „Na das ist doch ganz einfach, seit die Käfer weggeflogen sind, ist alles doof.“

„Genau.“ stimmt Bolle Biber zu, „vor allem, dass auch Paul Pillendreher mitgeflogen ist, ist blöd!“

„Hä? Warum das denn?“ Ria versteht die Welt nicht mehr.

„Na Paul Pillendreher hat für uns immer so tolle Bälle gemacht, immer genau in der Größe, wie wir sie gebraucht haben“ erklärt Bolles Schwester Bille.

„Und Birte Borkenkäfer hat uns immer Löcher in kleine Äste gebohrt, damit wir Flöte spielen konnten“ ergänzt Hansi Haselmaus, der mit seinen zwei Schwestern gerade angeturnt kommt.

Hm, das versteht Ria natürlich, aber dass die Käfer weg sind, hat sie noch gar nicht bemerkt.

Illustration von vier kleinen Käfern, unter ihnen ein Marienkäfer und ein schwarzer Pillendreher mit seiner Kugel aus Dung

Am Abend, als die Kleinen alle schlafen, treffen sich die erwachsenen Tiere alle auf der Lichtung.

„Ziemlich dunkel heute“ bemerkt Willi, als er sich neben seinen Freund Benno setzt. Und dann erzählen alle von ihren Problemen.

Zum Schluss berichtet Ria über das Gespräch mit den Tierkindern.

„Die Käfer sind weg?“ staunen alle gleichzeitig – es ist tatsächlich noch keinem der erwachsenen Tiere aufgefallen, außer Hilda Hufeisennase:

„Ja, seit drei Wochen muss ich zum Jagen ins Dorf fliegen, weil plötzlich alle Käfer weg waren. Das ist furchtbar anstrengend und wir werden kaum satt!“

„Das erklärt auch, warum es so dunkel ist“ fällt Willi ein, „die Glühwürmchen sind ja auch Käfer, die sind bestimmt mit den anderen mitgeflogen – das muss diese riesige bunte Wolke gewesen sein, die ich vor drei Wochen gesehen habe.“

Und da wird Willi so einiges klar: Das Futter für Friedas Hasenkinder wird von einer Unmenge Blattläuse weggefressen, weil es keine Marienkäfer mehr gibt. Mistkäfer und Pillendreher sind weg, darum fehlen nicht nur die Bälle zum Spielen, sondern auch die Nahrung für die Fledermäuse und klar, ohne Mistkäfer bleiben die Haufen einfach liegen – deshalb stinkt es so fürchterlich im ganzen Wald!

„Tja, und weil die ganzen Bock- und Borkenkäfer weg sind, hat sich Basti den Schnabel stumpf geklopft – ohne die Käfer ist das Holz einfach viel zu hart“ erklärt Ria.

Willi spatziert glücklich zurück nach Hause. Die Käfer begleiten ihn fliegend als Wolke.

Gleich am nächsten Morgen macht er sich auf den Weg, die Käfer zu suchen. Nach einigen Stunden findet er sie: tausende Käfer sitzen in einer Streuobstwiese und auch ihnen geht es hier nicht gut.

„Wir sind hier viel zu viele“ stellt Paul Pillendreher fest, als Willi angekommen ist, „und außerdem gibt’s hier gar keine Haufen für mich und die Mistkäfer.“

„Aber warum seid ihr überhaupt weggeflogen?“ fragt Willi.

„Na weil wir genervt waren. Wir sind euch ja völlig egal. Dauernd macht ihr tolle Sachen miteinander und helft euch gegenseitig, aber auf uns gebt ihr überhaupt nicht acht!“

„Es tut mir leid. Es stimmt, es war uns überhaupt nicht klar, wie wichtig ihr seid. Die Einzigen, die es wussten, sind unsere Kinder: ihnen ist es sofort aufgefallen, dass ihr fehlt“ entschuldigt sich Willi. „Bitte kommt mit mir wieder zurück!“

„Danke für deine Entschuldigung, Willi. Ja, wir kommen mit, denn uns ist auch hier erst klar geworden, wie sehr wir euch und den Nationalpark brauchen. Hier draußen finden wir keinen Platz, wo wir alle leben können“ erklärt Paul.

Als Willi am Abend mit den Käfern wieder im Nationalpark ankommt, ist die Freude groß. Im Schein der Leuchtkäfer feiern sie alle zusammen ein großes Fest – und es ist jetzt allen klar, wie wichtig die Vielfalt für sie alle ist.

Ende! Bis zum nächsten mal!

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